Demonstration

Auswertung der Polizeikongressdemo

Im Folgenden wollen wir die Demonstration gegen den Europäischen Polizeikongress am 31.01.2020 reflektieren. Auf dem „entsichern“ Kongress wurde die Demo, wenn überhaupt, nicht ausreichend thematisiert. Es wäre da noch einiges zu sagen, sowohl über den Ablauf der Demo als auch über die gesamte Strategie der Repression, die an diesem Wochenende stattgefunden hat.

Wenige Tage vor der Demonstration wurde beschlossen, kurzfristig die Route von Neukölln nach Friedrichshain zu verlegen. Anlass dafür waren die polizeilichen Todesschüsse auf Maria vom 24.01.20 in ihrer Wohnung in der Grünberger Straße, Friedrichshain. Die Entscheidung fiel nicht leicht, da in Neukölln bereits informiert und mobilisiert wurde und die Initiative, in Neukölln zu demonstrieren, schon mehrmals begrüßt wurde. Wir sahen aber die Notwendigkeit, auf die tödliche Gewalt des Staates schnell und konkret zu reagieren.

In dem Text zur Routenänderung haben wir geschrieben: „Es wäre für uns ein politisches Verhängnis, wenn wir nicht an den Ort der Hinrichtung kommen würden und im selben Atemzug einen Kongress organisieren, der sich mit Gegenstrategien im Kontext polizeilicher Arbeit befasst“. Eine Demo kann keine ausreichende Antwort auf einen Mord sein, aber es ist ein Schritt in diese Richtung. Im Nachhinein stehen wir zu dieser Entscheidung. Mit der Verlegung in die Grünberger Straße und zur Wedekindwache konnten wir diesem todbringenden Polizeieinsatz und der damit einhergehenden polizeilichen Desinformationskampagne etwas entgegensetzen.

Wenn wir im folgenden Text von einer Kampfansage der Bullen an die Bevölkerung (Berlins) sprechen, dann spannen wir dabei den Bogen über den Mord an Maria, dem innerhalb der Polizei herrschenden Korpsgeist, der keine Fehler zulässt und stetig das eigene Handeln als gerechtfertigt verteidigen wird, zu der medialen Kampagne, die mit Freude von den Massenmedien aufgegriffen wurde und dem massiven Aufgebot gegen die Demonstration von Freitagabend.

Es war klar, dass die Gegenseite den Druck auf die Teilnehmer*innen der Demo erhöhen würde, was wir bewusst in Kauf genommen haben, da es uns wichtig war, direkt an dem Ort, an dem Maria erschossen wurde, zu agieren. Sei es auch eingeschränkt. Dass der Grad der Repression jedoch dieses Ausmaß annehmen würde, war uns im Vorfeld nicht bewusst. So ist es auch zu erklären, dass es keine Konzepte gab, wie wir mit dem Aufgebot, das uns begegnete, umgehen sollten. Es stellt sich also wieder die grundsätzliche Frage des Zieles einer Demo, sowie: inwiefern und wofür sind wir bereit, eine vollspallierte Demo zu riskieren? Lohnt es sich noch eine Demo anzumelden, wenn es dann bedeutet, auf einer Route, die wir nicht mal selbst bestimmen konnten, zwischen zwei Bullenreihen ständig gefilmt zu werden? In diesem Fall freuen wir uns, dass wir es riskiert haben. Wir denken, dass es Zeit wird, wieder über andere Demokonzepte zu reden und aufzugreifen, so z.B. das Out of Control Konzept.

Die Demo startete nach einer Auftaktkundgebung um ca. 21:00 Uhr am Wismarplatz und wuchs von 500 Menschen im weiteren Verlauf auf ca.1200 an. Schon während der Auftaktkundgebung versuchten die Bullen klarzumachen, wer hier das Sagen hat. Bereits vor dem offiziellen Beginn waren an jeder Strassenecke Bullen und Bullenwannen postiert, sodass es unmöglich schien, zur Demo zu gelangen, ohne kontrolliert und belästigt zu werden. Begleitet wurde das Aufgebot durch das sogenannte Berliner PMS (Szenekundige Zivis), welches mehrmals durch und um die Auftaktkundgebung lief. Bereits ab 19:30 Uhr fanden zahlreiche Personenkontrollen am Wismarplatz und in den umliegenden Seitenstraßen statt, bei welchen mindestens 2 Personen vorläufig in Gewahrsam genommen wurden.

Kurz nach Beginn der Demo war besonders der erste Teil der Demo laut und kraftvoll. Als wir an dem Haus, in dem Maria erschossen wurde, vorbeizogen, wurde ein Blumenkranz in Erinnerung an alle von Polizeigewalt betroffenen Menschen niedergelegt. Die Demo ging dann weiter bis zur Wedekindwache. Unsere Wut auf die Mörder in Uniform und die Anspannung, ihnen gemeinsam entgegenzutreten, war deutlich spürbar. Die Parolen waren durchgängig laut und wütend, die Cops wurden konsequent Mörder genannt und als Adressat unserer Wut die gesamte Strecke über beleidigt und verbal angegriffen. Zudem wurde die Demo von diversen Solidaritätsbekundungen, wie Bannern und Applaudieren, von Zuschauer*innen und Anwohner*innen begleitet.

Nach dem ersten Überqueren der Warschauer Straße zogen die Bullen ein dichtes Spalier auf und filmten durchgehend mit unzähligen Kameras seitlich und direkt auf und in die Demonstration. Ungefähr zeitgleich vermummte sich der gesamte Frontblock und begann mit dem Zünden von Pyrotechnik. Die Stationierung mehrerer Einheiten rund um die Wedekindwache, mitsamt Hundestaffel und Hamburger Gittern, sollte jegliche Äußerung der Wut unterbinden.

Spätestens hinter der Wedekindwache war der Frontblock und auch große Teile der weiter hinten laufenden Reihen vollständig von einem dichten Spalier umgeben. Zeitweise war es dadurch nicht mehr möglich die Aufschriften der Transparente von „außen“ zu erkennen. Selbst in den kleineren Straßen jenseits der Warschauer liefen die Cops beidseitig mit und verunmöglichten es somit, dass die Reihen zusammen bleiben konnten, da zumindest die Personen am Rand konsequent gewaltvoll abgedrängt wurden. Weiterhin wurden die einzelnen Reihen penetrant mit mehreren Kameras abgefilmt, es kam zu permanenten Rangeleien um die Regenschirme und Transparente. Wie zu erwarten war, gehörten Beleidigungen und Schläge ebenso zum Repertoire der Bullen, wie die mehrfach wiederholten Drohungen „Euch erschießen wir auch noch.“ Auf welchem Niveau sich die „Polizeifamilie“ bewegt, wurde mit Witzen über Maria und der puren Belustigung über ihren Tod deutlich zur Schau gestellt. Parallel zur 1×1 Betreuung des Frontblocks ertönte beinah ununterbrochen die Aufforderungen, die Vermummung abzulegen und das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterlassen. Weder wurde auf die Androhungen der Bullen reagiert, noch ließ man sich davon entmutigen, sodass die Vermummung bis zum Ende der Demonstration beibehalten wurde. Dasselbe gilt für Pyrotechnik, die weiter und weiter gezündet bzw. abgefeuert wurde. Im Nachhinein betrachten wir das als den kleinsten, aber wichtigsten Ausdruck unserer Wut. Innerhalb des ansonsten vorhergesehen Rahmens einer angemeldeten, von Bullen vollspalierten Demo haben wir die Einschätzung, dass wir den Angriffen und Befehlen der Polizei widerstehen konnten.
Die Auflösung der Demonstration lief leider, wie so häufig, eher chaotisch ab. Ab dem Boxhagener Platz wurde vom Frontblock aus durchgegeben, dass sich die Demo jetzt bald auflösen wird und Menschen schon mal gemächlich nach Hause gehen sollen. Die Ansage konnte natürlich nicht vom Lauti durchgeben werden, deswegen sollte sich die Nachricht weiter nach hinten streuen. Das hat nicht geklappt, wir wissen auch leider nicht genau bis zu welchen Punkt die Nachricht gelangt ist. Der Lauti gab die Auflösung wohl auch nur einmal bekannt, was bei der Demogröße nicht ausreichte. Dadurch, dass der Großteil der Demo ja bereits in einem Wanderkessel lief, waren wir dann auch am Wismarplatz bei der versuchten Auflösung eingekesselt, die Bullen konnten daher bereits dort vier Menschen festnehmen und die Demo diverser Transparente berauben. Wir gehen davon aus, dass die Bullen vorhatten, die beiden ersten Reihen vollständig festzunehmen. Das, sowie weitere von ihnen geplante Angriffe auf die Demo, sind ihnen nicht gelungen. Wir möchten kritisch damit umgehen, dass es sowohl in den Kommunikationswegen, wie in dem generellen Verhalten (wie etwa Zusammenhalten oder Vermummung) eine Spaltung zwischen vorderem Teil und hinterem Teil der Demo gab. Auf dem weiteren Weg wurden 2 Personen und am Ostkreuz nochmal 8 Menschen verhaftet. Mindestens sechs Personen wurden nach zwei Stunden ohne Gesa-Aufenthalt wieder gehen gelassen. Im Verlauf des Abends kam es in der Rigaer noch zu weiteren Auseinandersetzungen mit den Cops, in deren Zusammenhang 2 Personen verhaftet wurden. Bisher wurden Anzeigen wegen Vermummung, tätlichen Angriffs und Widerstands erstattet.

Die Auflösung vor dem angekündigten Endpunkt sollte verhindern, dass eine Situation wie bei der Rigaer Demo 2016 (80 Festnahmen) und derDemo zum 1. Mai 2019 an der Warschauer Straße entsteht, bei der die Demo in einen vorher vorbereiteten Kessel lief und die Bullen dort entspannt immer wieder mit Greiftrupps dutzende Menschen fest nehmen konnten. Wir plädieren für eine breite, gemeinsame Diskussion über zukünftige Auflösungskonzepte, denn bis zum Endpunkt zu laufen ist nach „konfrontativen Demonstrationen“ in den wenigsten Fällen gut gegangen. Das vorzeitige Auflösen erfordert eine bessere Kommunikationsstruktur im Vorhinein als auch während der Demo, die allerdings auch auf die Unterstützung der Demoteilnehmer*innen angewiesen wäre. Diese Punkte möchten wir noch nacharbeiten und reflektieren.

Demonstrationen als ein Moment des Zusammenkommens auf der Straße sind wichtig. Sie bieten einen Raum, in dem wir gemeinsam unserer Wut eine Stimme geben und diese zu Anderen kommunizieren können. Der Freitagabend hat uns erneut gezeigt, dass wir stetig an Konzepten arbeiten müssen, der Machtdemonstration der Bullen wirkungsvoll etwas entgegenzusetzen, u.a.um mehr konsequentes Handeln auf der Straße ermöglichen zu können. Die Einsatztaktik der dichten Begleitung, des permanenten Abfilmens, der kleinen Greiftrupps und der, auch dieses Mal viel beobachtete, Einsatz von zivil gekleideten Tatbeobachter*innen (Tabos) innerhalb der Demo, soll uns Handlungsunfähigkeit weis machen. Tatsächlich haben viele, trotz der Freude, unsere Solidarität und Wut gezeigt zu haben, von einem Ohnmachtsgefühl berichtet. Andere haben die Konsequenz, mit der die Demo gelaufen ist, als empowernd wahrgenommen. Wir haben die Perspektive gemeinsam Strategien zu entwickeln und auszubauen, um unseren Kampf erfolgreich weiterführen zu können.

Und gemeinsam bedeutet in diesem Fall auch mit Menschen zu arbeiten, die sich nicht in „unseren Spektren“ wiederfinden. Vor und nach der Demo haben wir in der Nachbarschaft geflyert und mit Menschen im Kiez gesprochen. Auch die Anwohner*innen waren zum Teil schockiert von der exzessiven Gewalt der Bullen und machen sich viele Gedanken. Das widerliche Verhalten der Bullen von Freitag wurde am nächsten Tag nahtlos gegen Freund*innen und Nachbar*innen Marias fortgesetzt, als diese mit ca.100 Personen im Gedenken an Maria demonstrierten. Hier müssen wir uns die Frage stellen, warum so wenige von uns auf dieser Nachbarschaftsdemo waren. Unsere Perspektive sollte einschließen, Kämpfe zu verbinden und auch andere „Spektren“ zu unterstützen.

Kontaktiert uns, wenn ihr von Repression betroffen seid. Getroffen hat es wenige, gemeint sind alle!

Euer Vorbereitungsbündnis

Update Demo: Polizeistaat entsichern – Routenänderung nach Friedrichshain.

Tatort Friedrichshain. Freitagmorgen kurz nach 4:00 Uhr. Maria R. wird in ihrer Wohnung von Bullen des Abschnitt 51 (Wedekindwache) erschossen. Laut Polizeimitteilungen an die fleißige Hofpresse soll schnell klar werden: Maria ist eine psychisch instabile Person und sei mit einem Messer auf die Beamten zugestürmt. Wir zweifeln an dieser Darstellung der Berliner Polizei und erachten das verteidigende Statement der Bullenpräsidentin Slowik als Kampfansage an die Bevölkerung Berlins.

Maria ist hierbei kein Einzelfall in Berlin und unmittelbarer Umgebung.

2008 erschießt der Berliner Bulle Reinhard Rother den jungen Dennis “Jockel” in Schönfließ. Er richtet ihn regelrecht in seinem Auto hin, dabei entleerte er sein komplettes Magazin. Schon der erste Schuss war tödlich. Auch hier berichteten die Presse und die Bullen von einer Notwehrsituation. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich nicht wie zuvor beschrieben um die verbreitete Version handelte. Fazit: 2,5 Jahre auf Bewährung für den Mörder von Dennis.

2011 ermordeten Berliner Polizisten in Schöneberg Slieman Hamade, indem sie körperlich auf ihn einwirkten. Tritte. Schläge. Pfefferspray. Letztendlich war Sliemann tot und einen Monat später das Ermittlungsverfahren gegen die beteiligten Bullen eingestellt. Nur durch die Schaffung von Öffentlichkeit war es überhaupt möglich das Verfahren wieder aufzunehmen.

2016 mit der Hinrichtung von Hussam Fadl beginnen die Behörden ihr Vorgehen zu rechtfertigen, indem sie behaupten es war ein Messer im Spiel. Nur durch die beherzten Recherchen des Anwaltes gelang es, das Verfahren neu aufzunehmen und nachzuweisen, dass es das besagte Messer niemals gab.

2017 erschossen Bullen aus Mecklenburg-Vorpommern einen 27 Jährigen aus Kreuzberg, der in Neubrandenburg in einen Kiosk eingestiegen sein soll. Die Rechtfertigung für die tödlichen Schüsse: Der Bulle wurde mit Pfefferspray abgesprüht.

2018 kam Fabien M. durch einen Funkwagen der Polizei zu Tode. Ersten Mitteilungen zufolge soll sie abgelenkt gewesen sein. Nur durch einen anonymen Hinweis wurde bekannt, dass der Polizist Peter G. mit 1,1 Promille im Streifendienst unterwegs war.

In wenigen Fällen dieser tödlichen Ereignisse konnten wir unserer Wut eine Stimme verschaffen und die öffentliche Wahrnehmung verändern. Der Korpsgeist innerhalb der Polizei lässt keine Fehler zu und wenn doch, verändert sich die öffentliche Fehleranalyse nur in dem Grade, indem sich die Beweislage oder das Interesse daran verschiebt.

Wir können nicht behaupten, dass wir wissen was in der Wohnung von Maria vorgefallen ist oder wie sich der Ablauf der Situation darstellte. Aber wir wollen festhalten, dass die Fälle tödlicher Polizeigewalt in Deutschland eine Kontinuität haben.

Wir haben uns heute dazu entschieden unsere Demonstration zu verlegen und nach Friedrichshain zu gehen, um aus unserer Theorie zur Praxis zu schreiten.

Es wäre für uns ein politisches Verhängnis, wenn wir nicht an den Ort der Hinrichtung kommen würden und im selben Atemzug einen Kongress organisieren, der sich mit Gegenstrategien im Kontext polizeilicher Arbeit befasst.

Der Mord an Maria reiht sich ein in eine nicht enden wollende Welle der Gewalt des Staates gegen seine eigene Bevölkerung, gegen die, die nicht ins Bild der Verwertbarkeit dieser Stadt passen. Dabei steht dieser Mord symbolisch als auch symptomatisch für dieses System, welches Menschen in verwertbar und unverwertbar teilt und denen, die im Kapitalismus nicht verwertbar sind, dass Leben abspricht.

Die geplante Demonstration anlässlich des europäischen Polizeikongresses soll unsere Wut und Trauer über diese Zustände sichtbar machen. Welchen Ausdruck ihr dafür wählt, liegt in eurem Ermessen und diesem sollten keine Grenzen gesetzt sein. Das Ziel dabei ist keine Gedenkdemonstration in einem „klassischen“ Sinne durchzuführen, das wollen wir uns nicht anmaßen.

Die Gegenseite allerdings wird alles daran setzen uns zu bezichtigen den Tod Marias politisch zu instrumentalisieren. Wir stellen hiermit deutlich klar, dass es uns keineswegs um die politische Instrumentalisierung des Todes geht, sondern darum diesen Zuständen, die zum Tod von Maria führten, kämpferisch, entschlossen und solidarisch zu begegnen. Es ist nicht hinnehmbar, dass eine Regierung die Legitimation über Leben und Tod innehat, bei allen Fällen tödlicher Schüsse, Schläge oder Autounfällen liegt anfangs die Verantwortung bei den Verstorbenen, wie in jedem der oben genannten Fälle.

Wir werden in einer angemessenen Weise an dem Haus von einer der unzählbaren Betroffenen tödlicher Polizeigewalt vorbeigehen. Wir werden keine Schweigeminute halten, da wir denen, die keine Stimme mehr haben, eine geben wollen.

Die angemessene Weise, wie ihr den Mördern aus der Wedekindwache begegnet, überlassen wir euch. Den Bullen sagen wir hierbei: Respekt bedeutet, sich dieser Demonstration fernzuhalten. Ihr tragt die Verantwortung für die tödlichen und gewaltvollen Handlungen in dieser Stadt.

Aus Wut wird Widerstand.

Freitag 31.01. | 20:00 Uhr | Wismarplatz | Berlin-Friedrichshain |

 

Wir bleiben gefährlich!
Usrprünglicher Aufruf der Demo gegen den europäischen Polizeikongress.

Am 04./05. Februar jährt sich der Europäische Polizeikongress in Berlin. Der jährlich stattfindende Kongress ist Treffpunkt des who is who der europäischen Sicherheitsbehörden, Politik und Verwaltung. Gerahmt wird dieses Treffen durch die Ausstellung neuster Systeme der Waffen- und Sicherheitsfirmen, wie Bosch, Heckler & Koch, Jenoptik und SAP. Die Industrie wirkt mit ihren neusten Entwicklungen in die politische und polizeiliche Entscheidungsfindung.Durch das Joint Venture von Politik, Industrie und Behörden werden auf europäischer Ebene die Wege geebnet die Interessen der Herrschenden durchzusetzen. Die Behörden betteln nach mehr Befugnissen und Techniken, die Industrie stellt ihre neuen Unterdrückungssysteme vor und die Politik setzt für jene Mittel dann die Gesetzesgrundlagen durch. So werden schon beim Kongress selbst die Zeichen für den Ausbau des Polizeistaates gesetzt.

Mit dem diesjährigen Motto des Europäischen Polizeikongresses „Rechtsstaat durchsetzen“ steht die Bekämpfung arabischer Großfamilien, moderne Überwachung aka die „Digitale Polizei“ und der Kampf gegen die Entstehung rechtsfreier Räume im Fokus. Es wird von der „Erosion des Rechtstaates“ gesprochen, das Feindbild der „Parallelgesellschaften“ konstruiert und dann der Bizeps angespannt und jedes noch so kleine Shisha-Café auseinander genommen. In medialer Bestinszenierung wird daraufhin ein Erfolg gegen kriminelle Clans und deren Strukturen gefeiert. Dabei ist egal, ob es Anhaltspunkte (auch wenn uns die herrschaftliche Sichtweise darauf egal ist) für eine Verstrickung zur „Unterwelt“ gibt.

Der Feind steht unter der rot-rot-grünen Regierung nicht mehr nur am Chaosgebiet Rigaer Straße, sondern am ehemaligen Arbeiter*innenviertel Neukölln und Wedding. Der „einfache Deutsche“ an sich, hat zu arbeiten, seinen krummen Rücken gerade zu machen und für sein Eigentum lange zu sparen. In der Gegenüberstellung zu der stigmatisierten Kategorie Clan, Sippe und Araber, die wie „wilde“ Menschen Goldmünzen klauen, ist offensichtlich, was der Staat dadurch probiert: Eine Teilung der „guten Deutschen“ und dem Rest, anhand von Rassismus und Konkurrenz. Die Definition des Hauptfeindes orientiert sich hierbei an dem faschistischen Rollback der Politik.

Die Aufwertung ganzer Stadtteile spielt dabei sicher auch eine wichtige Rolle. Abseits von Berlin, in Connewitz, lassen sich die Ausmaße staatlicher Herrschaftsstrategien gut beobachten und sind in einem Text über die Medienstrategie der Bullen nachzulesen. Die als politischer Akteur auftretende Polizei hängt sich seit Jahren immer weiter aus dem Fenster. Drohbriefe, zugespielte Dokumente, Weitergabe von sensiblen Daten an politische Gegner*innen, hier ausschließlich faschistische Strukturen, offenbaren welcher Geist innerhalb dieser Strukturen vorherrscht. Aus diesem Grund wollen wir keine Skandalisierung dieser Strukturen, sondern begreifen es als weiteres Kampfgebiet für unsere Agitationen gegen den Staat.

Dieser Kampf bleibt allerdings nicht unbeantwortet. Im Zuge des G20 wurde unser Sprachrohr linksunten.indymedia vom Bundesinnenministerium verboten. Der Prozessauftakt beginnt am 29. Januar in Leipzig, gefolgt von den Prozessen um den Rondenbarg und die drei Freund*innen von der Parkbank. Das Händeschütteln der Staatsschützer*innen, Richter*innen und Minister*innen geht also in die nächste Runde. Auf lokaler und doch so bedeutsamer Ebene ziehen sich im Januar die Prozesse um die räumungsbedrohten Projekte, die wir als direkten Angriff auf unsere Strukturen werten. Durch die rhethorische Aufrüstung und der stets wachsenden Verlinkung revolutionärer Politik und „terroristischer“ Handlungen sollen unsere emanzipatorischen Kämpfe im vorhinein diffamiert werden. Dem Staat bleibt also nichts anderes übrig, als kleinste Aktionen, die von symbolischer Tragfähigkeit erscheinen könnten, in die Ecke einer neuen bzw. alten Stadtguerilla zu stecken, um eine Legitimation für das eigene repressive Vorgehen herzustellen.

In diesem Sinne sind und bleiben wir gefährlich!

Am 31.01. wird eine Demonstration gegen den Europäischen Polizeikongress stattfinden. Die Demo wird am Richardplatz starten. Dieser Ort ist nicht zufällig gewählt, sondern orientiert sich an den Kämpfen, die in den vergangenen Jahren vor Ort ausgetragen wurden bzw. werden. Am Richardplatz selber befindet sich das Restaurant Louis, welches als regelmäßiger Veranstaltungsort der AFD genutzt worden ist und des öfteren Glasbruch erleben durfte. Nach eigenen Angaben lehnt das „Louis“ nun politische Gäste ab. (vgl. Broschüre – Wer ist die Berliner AFD, Seite 5; Chronik; linksunten.archiv)
Gegenüber befindet sich ein weiteres, eher unscheinbares Restaurant, die Villa Rixdorf mit dem neustem Kameraequipment, was teils nur an Behördeneinrichtungen zu sehen ist. Aber warum eigentlich? In der Villa finden regelmäßig Mitgliederversammlungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) der Direktion 5 statt. Die letzte am 9. Januar diesen Jahres. Hier nur ein paar Zitate des Vorsitzenden Rainer Wendt, die die zunehmenden Militarisierungstendenzen innerhalb der Polizeiapparate darstellen: „Polizeiliche Einsatzmittel müssen Waffen sein, die weh tun, nur dann wirken sie.“ (Stuttgart 21). „Sicherer für die Einsatzkräfte wäre eine Waffe, die bereits aus der Distanz eingesetzt werden könnte. Wenn Wasserwerfer nicht mehr reichten, müssen die Beamten Gummigeschosse einsetzen.“ (G20 Hamburg). Im Zuge der Auschreitungen zu Connewitz fabuliert dieser alte weisse Mann von einer Ausbildung linksterroristischer Strukturen wie in den Siebzigerjahren. Er wiederholt sich hierbei alle 10 Jahre in der Boulevardpresse der Großstädte, zum Beispiel 2009: „[…] er Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, fühlt sich an die Anfangsjahre der Roten Armee Fraktion erinnert. „Berlin droht eine neue RAF“, sagte er der B.Z. „Die Bereitschaft zu töten, ist klar zu erkennen.“ (vgl. Autonome Antifa Freiburg)

Ein weiteres „Reizobjekt“ entlang der Demo ist der Jobpoint in Neukölln, in der Unterführung zur Neuköllner Oper. Er fungiert als Rekrutenschule für Objektschützer*innen der Berliner Polizei: „Zielgruppe sind insbesondere migrantische und perspektivlos erscheinende Jugendliche und Langzeitarbeitslose, die hier mit Autorität und der Macht einer Waffe gelockt werden sollen. Die Strategie der Bullen in diesem Zusammenhang ist offensichtlich: Mit der verstärkten Anwerbung migrantischer Personen für den Streifendienst soll eine steigende Sympathie mit den uniformierten Mörder*innen auch in Vierteln wie Neukölln, Wedding und Moabit erreicht werden.“ (Autonomes Blättchen Nr. 27 S. 5; Chronik; linksunten.archiv)

Weiter geht es entlang zum Rathaus Neukölln. Im Januar 2015 fand eine wilde Sponti anlässlich des 10. Todestages vom Mord an Oury Jalloh statt. Dieser wurde 2005 in einer Dessauer Polizeizelle an Händen und Füßen gefesselt und lebendig verbrannt: „Nachdem sich noch vereinzelt Menschen angeschlossen hatten, erreichte die Demo schließlich das Rathaus Neukölln, in dem unter anderem der Populärrassist Buschkowsky residiert und hetzt und welches aus der Demo heraus mit Steinen und Farbflaschen angegriffen wurde. Die letzten Flyer verteilten sich auf dem Rathausplatz und anschließend bekam noch das nahegelegene Amtsgericht ebenfalls Farbe und Steine ab. Bevor sich die Demo auflöste und sich in alle in die Nacht verstreuten, gingen noch eine Securitas-Streife und die in ihrer Obhut stehenden Banken kaputt.“ (Interim Nummer 767, Seite 5 / Februar 2015; chronik; linksunten.archiv)

Aber auch weitere Momente des Widerstandes bleiben uns in Erinnerung. Die Demo wird außerdem durch die Weserstraße gehen, wo in letzter Zeit vermehrt linke Kulturstätten von Neuköllner Nazistrukturen angegriffen wurden, so im Dezember 2016 das K-Fetisch (Antifa Friedrichshain; linksunten.archiv). Als auch durch die Friedelstraße, wo kurz vor dem G20-Gipfel im Mai 2017 der Kiezladen Friedel54 geräumt wurde (linksunten.archiv). Statt des Kiezladens gibts dort jetzt einen schicken Goldschmiedeladen, der sich neben hippen Cafés in den zunehmend gentrifizierten Kiez einreiht.

Die Demo wird am Schlesischen Tor enden.

Wie bei allen Demos gilt das Motto, die Demo wird das, was ihr draus macht! Seid also vorbereitet und kreativ. Falls es die Situation erfordert, sind wir bereit, die Demo vorzeitig aufzulösen. Im Falle, dass sich die Bullen entscheiden unsere Demo anzugreifen rufen wir zu einem entschlossenen Handeln auf! Die Demo reiht sich ein in ein ereignisreiches Januarende, wir werden am 30. Januar die Räumungsverhandlung über die Liebig34 und am 29. Januar den Prozess über linksunten über uns ergehen lassen. Unsere Wut lässt sich nicht bändigen! Auch bei Festnahmen sollten wir nicht tatenlos zuschauen, was mittlerweile zu einem Ritual geworden ist, sondern den Gefangenen unsere direkte Solidarität kundtun.

Zeigt euch kämpferisch und solidarisch!

Kommt zur gemeinsamen Demonstration am 31.01.2020 am Richardplatz, Neukölln. Um 19 Uhr wird es eine halbstündige Auftaktkundgebung geben, nach der wir um 19.30 Uhr starten wollen. Kommt entschlossen, solidarisch und vorbereitet, für eine kraftvolle Demonstration!

Liebig34 bleibt!
Linksunten lebt!
Polizeikongress entsichern!